KUNST/MITTE Notes

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Sammler, Künstler, Galeristen zwischen Kommerz und Selbstwirksamkeit

24.07.2017, Dorothea Hertel

Sie lesen Teil 2 der Serie Momentaufnahme zum zeitgenössischen Kunstmarkt in Deutschland von Jana M. Noritsch (Collectors Club Berlin). Hier geht’s zum Teil 1 „Sammler, Künstler, Galeristen zwischen Kommerz und Leidenschaft“.

Wie im ersten Teil dieser Reihe beschrieben, gibt es seitens der Sammler, Galeristen und Künstler viele neue Entwicklungen in der Kunstwelt. Es gibt eine neue Nähe, Direktheit, unkompliziertere Austauschmöglichkeiten.

Um nicht auf jeden Zug aufzuspringen, sind genaues Hinschauen und eine gewisse Positionierung wirklich wichtig. Ganz generell teilt sich das Publikum in eventverwöhnte Konsumenten und ernsthaft Interessierte. Dass es in Berlin zum Beispiel jeden Tag wenigstens ein Opening gibt, musste dazu führen, dass sich die Galeristen und Kuratoren permanent gegenseitig zu übertreffen versuch(t)en. Die Zahl der neuen Galerien hier ist übrigens steigend—nicht rückläufig, wie immer behauptet wird.

Dass damit ein Publikum bedient oder angezogen wurde, das vor allem in Kategorien wie instagramable oder sehen-und-gesehen-werden funktioniert, kann jeder für sich bewerten. Diese Medien und neuen Tools mach(t)en ohne Frage aber auch die Bühne frei für die Künstlerinnen und Künstler selbst. Viele junge Kunstschaffende und auch Privatsammler nutzen diese Plattformen gerne. Sicher muss man der Typ dafür und bereit sein, viel Zeit in seine eigene Vermarktung—inklusive Instagram-Account—zu investieren. Aber tatsächlich auch aufrichtig Interessierten, die ganz neu eine Sammlung aufbauen oder schon jahrzehntelang dabei sind, wird so der Zugang zum Künstler erleichtert. Sein Weg beobachtet. Seine Ausstellungsvita recherchierbar. Was das bedeutet? Umgekehrt staune ich mehrmals die Woche, wie viele Künstler sich nicht um ihre Sammler kümmern, Einladungen zu Eröffnungen gar nicht verschicken, bei Messen nicht an ihrem Galerie-Stand auftauchen, geschweige denn ihre Käufer eigeninitiativ über neue Werke in Kenntnis setzen.

Man unterliegt einem ständigen globalen Qualitäts- und Wertvergleich, ob man es will oder nicht, Künstler und Kunstkonsumenten gleichermaßen. Interessant, nicht? — Kai-Uwe Schulte-Bundert, Berlin

Auf der anderen Seite darf das Vertrauen in ehrliche Förderer und Kunstfreunde nicht überstrapaziert werden. Das heißt für Künstler, dass sie besser nur an überzeugenden Ausstellungen teilnehmen und für Galeristen mit wechselndem Programm lieber persönlich adressierte Einladungen zu verschicken, anstatt jedem immer alles anzubieten. Und: Niemals sollte das Publikum unterschätzt werden. Dass bei Besuchern oder Künstlerkollegen ein flaues Gefühl entsteht, wenn sie vis-à-vis des 22m-langen Zeitlaich von Jonas Burgert stehen (Galerie Blain Southern, Gallery Weekend 2017), ist absolut verständlich. In diesem nicht ausgearbeiteten Werk ist ganz klar eine Überforderung spürbar und jede Menge (Zeit-)Druck. Wir fragen uns unweigerlich, warum gibt es so positive Presse-Besprechungen und dadurch einen ungerechtfertigten Ritterschlag? Die wenigsten Redaktionen haben noch Kapazitäten, nachzuhaken, zu recherchieren. Zumeist werden bezahlte Advertorials gedruckt wie vorgefertigte Nekrologe. Was passiert hier? Natürlich geht es um die Aktie Burgert, aber es tut dem Markt nicht gut. Zu leichtfertig wird so Vertrauen verspielt. Wem dürfen wir noch glauben, wenn sich der Künstler vertut und sich der Galerist blind stellt, weil die Marketing-Maschine bereits läuft, und die Kunst-Presse gekauft ist? Uns selbst!


„right and wrong are just two points on a very long scale“, Georg Wachberg, 2016

Es gibt ein neues Selbstbewusstsein seitens der Kunstsammler, das sie eigenständig—quer durch Deutschland—in Ateliers führt. Zum Austausch über die Kunst, die sie ganz persönlich bewegt, und an deren Wert sie deshalb glauben, nutzen sie Netzwerke wie den Collectors Club in Berlin. Außerdem investieren die Sammler in eigens eröffnete Museen, Sammlungsausstellungen, Corporate Art für ihre Firmen oder schließen sich zusammen, um Arbeiten zu tauschen oder gemeinsam Teile ihrer Sammlungen Auktionshäusern vorzuschlagen. Fragen nach beyond collecting werden aufgegriffen oder Themen wie Nachlassverwaltung.

ich glaube es gibt mehrere aktuelle wahrheiten. die eine ist, dass noch nie so viele künstler die chance hatten, gehört und gesehen zu werden. die andere, dass es naiv ist zu glauben, dass der kunstmarkt anders funktioniert als irgendein anderer, nur weil es eben um etwas so nobles wie kunst geht. am ende gibt es zum einen ein riesenspektakel, das beinahe schon lächerlich ist mit seinen insidern, intrigen und geteilter ratlosigkeit und zum anderen künstler, die nicht nach marktgesetzen, sondern nach innerer notwendigkeit handeln und arbeiten. diese zwei welten überlappen einander und das ist gut so. — Georg Wachberg, Wien

Der Wandel hin zum direkten Austausch zwischen Sammlern und Künstlern beunruhigt so einige Kunsthändler, die keine finanziellen Mühen scheuen, pressetechnisch Öl ins Feuer zu gießen, um ihr Image der alleingültigen Beratungsinstanz zu schützen. Zu einem Vertrauensverlust führt auch, wenn es auf renommierten Messen Galerien gibt, die ihre Wandflächen an Künstler verkaufen. Leider unehrlich sind auch oft Ausschreibungen für Kulturförderungen, da sie einen doch bereits gesicherten Finanzierungsplan zum eingereichten Projekt verlangen; vorher schaut sich die Kunstjury Bewerbungen nicht einmal an. Und im Grunde sollen die beteiligten Künstler schon berühmt sein. Wie in jeder Branche gibt es das Spiel Guter Cop, böser Cop: Galeristen, die Sammlungsankäufe verhindern und Auktionshäuser, die Künstlerpreise zu schnell nach oben pushen, sodass die Schöpfer nachher an lebendigem Leibe verhungern, weil sich niemand mehr ihre Bilder leisten kann. Viele große Fragen wirft auch der Generationswandel unter den Galeristen auf. Grabenkämpfe, die sich proportional zum Preissegment vergrößern.

Aber es gibt auch geheime Treffen von engagierten Galeristen, die miteinander überlegen, was sie tun können gegen veraltetes Regelwerk von gewissen Verbänden, wie neue Wege aussehen könnten.

Aus ihrem Berufsverband treten mittlerweile auch Künstler aus, weil dieser ihre Kraft aus- und ihre Kreativität be-nutzt, wenn für die Teilnahme an der nächsten Gruppenausstellung zugleich vorgegeben wird, wie das Ergebnis (#Medusa) aussehen soll. Dann wird Kunst unfrei.


„Heuregal“, 2017, Fotografie, Auflage 6, Rainer Jacob, 2016

Völlig legitim ist eben die Frage, ob diese Galerienlandschaft und Kuratoren dann nicht schlicht uninteressant sind für kritische Künstler? Sein Bild nicht an jeden Nagel hängen, ist an dieser Stelle ein viel bemühter Rat. Diese Entscheidung gehört zum schwierigen Balanceakt aller Künstler zwischen Kommerz, Popularität und Selbstwirksamkeit.

Ein nachhaltiges Netzwerk ist absolut wichtig, auch was die Austauschmöglichkeiten unter Künstlerkollegen betrifft. Ich pendle zwischen Rom und Hannover. In Italien etwa hat die relativ geringe kulturelle Förderung und die Machtkonzentration auf wenige Institutionen und opinion leader entsprechende Auswirkungen und führt dabei eher zu einer Art künstlerischem Einzelkämpfertum, aber mit oft überraschend hoher künstlerischer Qualität, wenn diese denn angemessen gezeigt werden kann. In Deutschland besteht ein viel breiteres Interesse an Kunst, was über kulturelle Bildung schon früh gefördert wird. Somit bieten sich auf den verschiedenen Ebenen des Kunstbetriebs viel mehr Plattformen für die Präsentation der eigenen Positionen sowie gute professionelle Betreuung. So hat das bei mir zurzeit die Auswirkung, dass die künstlerische, inspirierende Produktion einerseits und Präsentation oder Verkauf andererseits oft an die verschiedenen Orte geknüpft sind. — Schirin Fatemi, Rom/Hannover

Im dritten Teil dieser Reihe, beleuchten den Kunstmarkt speziell in Mitteldeutschland.

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